Als im Jahre 1187 Graf Berthold II. von Nidda die Pfarrei Nidda zusammen mit beträchtlichem Grundbesitz in über 20, heute zum Tei wüst gefallenen Orten der Grafschaft Nidda dem Orden des Hl. Johannes überträgt, erscheint auch der Name "Leizaha" (Ober- und Unter-Lais). Walter G. Rödel, der führende deutsche Forscher zu den Johannitern, hat in der neuen Stadtgeschichte Niddas, die in erster Auflage 1992 und in 2. überarbeiteter und erweiteter Auflage 2003 erschienen ist, diese Schenkung in größere Zusammenhänge eingeordnet und deutlich gemacht, dass wir es bei der späteren Kommende in Nidda mit Abstand mit der ersten Niederlassung der Johanniter in Hessen und mit der sechsten im deutschen Großpriorat zu tun haben. Entstanden ist dieser sog. Ritterorden aus einer bereits vor den Kreuzzügen bestehenden Bruderschaft eines Hospitals in Jerusalem, das dem Hl. Johannes dem Täufer geweiht war. Im Jahre 1113 vom Papst bestätigt, findet der Orden seit dem ausgehenden 12. Jh. Eingang in Deutschland, entstehen in rascher Folge Niederlassungen, beginnend mit Duisburg 1156, Werben an der Elbe 1160, Burg an der Wupper 1176 und zwei weiteren in der Schweiz 1180. Insgesamt zählt der Orden im deutschen Raum am Ende seiner Expansionsphase über 120 Ordenshäuser.

 

Es ist nur naheliegend, dass sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit an der Stadtgeschichte Niddas, die ohnehin durch die erwähnte Publikation, die Aktivitäten des Heimatmuseums und die aktuellen Ausgrabungsergebnisse rund um den Johanniterturm gewachsen ist, nunmehr auch der Kirche in Unter-Lais zuwendet. Ein besonderes Verdienst gebührt dabei dem Kirchenvorstand der Evangelischen Kirschengemeinde Ober-Lais/Glashütten, dem es gelungen ist, den "Förderverein Johanniterkirche Unter-Lais e.V." auf die Beine zu stellen, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die Johanniterkirche in Unter-Lais, ein Kulturdenkmal von Rang weit über die hessischen Grenzen hinaus, zu erhalten und zu renovieren.

 

Zum besseren Verständnis ist ein langer Blick in die Geschichte notwendig (Die Seitenzahlen beziehen sich auf das Nidda-Buch). Die Schenkung von 1187 erwähnt die Pfarrkirche in Nidda sowie zwei Tochterkirchen in Eichelsdorf und Rechelshausen (heute Wüstung im Stadtteil Unter-Schmitten). Zweihundert Jahre später (1493) wird dem Komtur und den Brüdern in Nidda von Landgraf Wilhelm von Hessen noch die Kirche in Wallernhausen mit allen Rechten übertragen, von einer Kirche bzw. Kapelle in Unter-Lais (heute Stadtteil Ober-Lais) dagegen ist in der allerdings lückenhaften frühen Urkundenüberlieferung nicht die Rede.

 

Wie schon angedeutet, wird Lais bereits in der Urkunde von 1187 genannt, kann der Orden in Leizaha den kleinen Zehnten und zwei Schillinge von einem Hof einziehen. Schenkungen oder Verkäufe an den Orden in den Gemarkungen von Ober- und Unter-Lais sind mehrfach belegt. In einer Urkunde des Jahres 1226 schenken der Ritter Wigand von Selebach und seine Ehefrau Hedwig dem Orden eine Hufe in Nidda und Grundstücke in Lais. 1278 verkauft Graf Ludwig II. von Ziegenhain Unter-Lais und Igelhausen an den Orden (S. 42). Ein Jahr später, 1279, vermacht der Ritter Wigand von Nidda den Johannitern den vom Zehnten unbelasteten Bezug von Einkünften aus sieben Höfen in Ober-Lais (s. 43). 1294 wird anlässlich eines Rechtsstreites dem Komtur und den Brüdern in Nidd der Besitz des Waldzehnten in Ober-Lais (sita in villa superiori Leiza) bestätigt. 1451 schließlich verkaufen Hermann von Bienbach und seine Ehefrau Anna ihren Zehnten in Ober-Lais (zu obirn Leiße gelegen) mit allen Rechten und Zubehör an den Komtur Philipp von Reifenberg.

 

Die Urkunden lassen erkennen, dass der Orden seine Besitzungen systematisch ausgebaut hat. Allerdings haben sich selbst in der abgeschlossenen Welt des Laisbachtals die militärischen Auseinandersetzungen des Mittelmeerraumes, die den Orden in größte finanzielle Bedrängnis bringen sollten, niedergeschlagen. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts (1347?) muss der Orden aus wirtschaftlichen Gründen die Orte Fauerbach, Ober- und Unter-Lais sowie Igelhausen an Graf Engelbert II. von Ziegenhain versetzen, hundert Jahre später verkaufen die Johanniter das wüst gewordene Igelhausen an das im Jahre 1437 gegründete Chorherrenstift Hirzenhain.


Zu kaum einem der heutigen Stadtteile von Nidda haben von Seiten der Johanniter so enge Beziehungen bestanden wie gerade zu Ober- und Unter-Lais. Besonders deutlich wird dies im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, so in den Visitationen von 1495 und 1540, die mit einer Inventur der Einkünfte, Abgaben und Rechtsverhältnisse verbunden sind. Der Orden hat die Gerichtsbarkeit in den Orten Fauerbach, Unter-Lais und Ober-Lais. Er bezieht 1495 von seinen Untertanen in den genannten Dörfern Abgaben in Höhe von 28 Gulden, an Zinsen von verschiedenen Personen in Unter-Lais jährlich sieben, in Ober-Lais jährlich 19 Gulden. Zusätzlich dazu erbringt der Zehnte in Ober-Lais jährlich 14 Gulden. Von den Einkünften des Ordenshauses Nidda an Bargeld in Höhe von 139 Gulden entfallen auf Ober- und Unter-Lais mehr als ein Drittel der Gesamtsumme. Im Jahre 1540 werden die Einnahmen in Bargeld für Fauerbach, Unter- und Ober-Lais auf 110 Gulden veranschlagt. Ober- und Unter-Lais bilden mit Fauerbach ein Gericht, das nach dem Salbuch von 1537 zum Amt Nidda gehört, "aber der Botmäßigkeit des Komturs der Johanniter zu Nidda untersteht, der dort auch die meisten Zinse erhält."(S. 91). Im Salbuch für Oberhessen von 1577 zählt Ober-Lais 36, Unter-Lais, obwohl Pfarrort des Gerichts, nur 16 und Fauerbach 57 Hausgesessene (Haushaltungsvorstände). Zur Pfarrei von Unter-Lais zählen Ober-Lais, Fauerbach und Glashütten. Dieser Hinweis ist wichtig, weil er zeigt, dass das noch junge Glasmacherdorf Glashütten bereits zu Zeiten der Johanniter, wohl aber als Folge der Reformation, nach Unter-Lais eingepfarrt worden ist.

 

Mit der Reformation gerät das Ordenshaus Nidda in eine zusätzliche kritische Phase. Evangelische Geistliche, vormals Ordensbrüder, nehmen seit 1526 den Gottesdienst in Nidda und seit 1527 in Wallernhausen mit seinem Filial Unter-Lais wahr (Wilhelm Diehl, Reformationsbuch, Friedberg 1917, S. 67). Das ist auch noch so hundert Jahre später, wenn es 1629/30 heißt, der Pfarrer von Wallernhausen predige freitags in Fauerbach und jeden Sonntag in Unter-Lais. Der Orden jedoch kann seinen Besitz in der evangelisch gewordenen Landgrafschaft nicht mehr halten und lässt sich auf einen hessischen Vorschlag ein, das Ordenshaus in Nidda mit allen Besitzungen, Einkünften, weltlichen und geistlichen Gerechtsamen an Hessen zu veräußern. So endet nach dem Konfessionswechsel von 1526/1527 mit dem Vertrag vom 25. Juli 1585 auch der rechtliche Sonderstatus des Gerichtes Fauerbach, schwindet allmählich im Gedächtnis der Leute die Erinnerung an den Johanniterorden in Nidda wie in Ober- und Unter-Lais.

 

Über nahezu 400 Jahre hinweg hatten diese Johanniter in den beiden Lais ihre Rechte und Pflichten wahrgenommen. Sucht man nach Spuren, so erinnert heute, wenn man von Gemarkungsbezeichnungen wie "Komturweg" und einem Hof in Unter-Lais, den man dem Orden zuschreibt, absieht, nurmehr die Kirche auf dem heutigen Friedhof in Unter-Lais an das Wirken des einstmals so berühmten und bekannten Ordens.