Weltkulturerbe in Fauerbach

Ernst Riegel (1871 1939) war der Goldschmied der Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt - seit kurzem UNESCO-Weltkulturerbe. 1906 wurde er dorthin berufen, als Großherzog Ernst Ludwig von Hessen die Kolonie um ein Lehratelier ausbaute. Der Großherzog betrieb aktive Kulturpolitik. Er erließ 1902 in Hessen das erste Denkmalschutzgesetz für ein Land. Seine Bezirksdenkmalpfleger empfahlen den Kirchengemeinden die liturgischen Geräte des Künstlers.
Im Ortskuratorium Wiesbaden der Deutschen Stiftung Denkmalschutz begannen wir 2020 mit einer Ausstellung von Riegels Arbeiten für die Wiesbadener Lutherkirche. Zu Riegels 150. Geburtstag am 12. September 2021, dem Tag des offenen Denkmals, erstellten wir für über dreißig Kirchengemeinden Kurzvideos der nachgewiesenen Abendmahls- und Taufgeräte. Viele davon finden Sie im Netz unter dem Suchbegriff „150 Jahre Ernst Riegel“. Im Zuge der Recherchen machten wir eine Entdeckung: Riegel entwarf zahlreiche Ante-
pendien. Auch nach seinem Wechsel nach Köln 1914 arbeitete er bis 1935 mit der Paramentenwerkstatt am Elisabethenstift Darmstadt zusammen. In der Literatur findet sich darüber praktisch nichts. Diese Lücke wollen wir schließen und suchen nun alle im handgeschriebenen Auftragsbuch der Werkstatt verzeichneten Stücke. 159 Aufträge aus 92 Gemeinden für Riegels Paramente konnten wir identifizieren.


Im Landkreis Darmstadt-Dieburg und der Stadt Darmstadt findet sich fast ein Drittel der Aufträge, so auch zwei für Fauerbach, „Filial von Wallernhausen“. Am 18. Juli 1924 bestellt Pfarrer Strack im Auftrag 1174 „Ein Antependium in grünem Tuch, mit reicher Stickerei nach Prof. Riegels Entwurf. Großes Kreuz, mit Ornamen-
ten, Rose in der Mitte, um das Kreuz der Spruch: „Friede sei mit Euch“. Dornen u. sonstige Verzierungen. Abschluss Seidenborden u. Goldfransen“. Dazu eine Kanzelpultdecke mit dem Spruch "Liebet Euch immerdar". Auszuliefern an den Kirchendiener Stock.

Am 15. März 1925 folgt der Auftrag 1194 von Pfarrer Rau über „Ein Antependium in schwarzem Tuch (wozu ein kl. Lahrtuch verwendet werden soll) mit neuen gestickten, seitlich aufsteigenden Bordüren, u. dem einfachen Kreuz v. Prof. Riegel mit Lutherrose in der Mitte. Abschluss Borde u. Silberfransen“. Dazu ein Kanzelantependium mit Christogramm und A&O, ebenfalls Entwurf Riegel.

 

Trotz der Verwendung des vorhandenen Lahrtuches oder Bahrtuches wurden 250 Mark für die grünen, 275 Mark für die schwarzen Antependien fällig, in heutiger Kaufkraft etwa das Dreifache.


Diese Entwürfe des Künstlers Ernst Riegel sind heute noch vorhanden, ein Stück Weltkulturerbe. Wir kennen die beiden Kreuzmotive in einzelnen Ausfertigungen auch in anderen Gemeinden, erstmalig 1911 und 1913. Das Kanzelmotiv zeichnete Riegel etwas später noch einmal in dieser Form, jedoch umgeben von einem Dornenkranz. Es ist interessant, an den Beispielen den Werkszusammenhang zu erschließen.


Die Gemeinde Fauerbach hat mit dieser Kollektion einen wertvollen Bestand an Paramenten. Es ist  bemerkenswert, wie gut sich diese empfindlichen Textilien erhalten haben. Es ist eine große Freude, ihrer Entstehungsgeschichte nachzugehen und zur Dokumentation in den Inventarlisten der Gemeinde beizutragen.

 

Dr. Dörte Folkers
Ortskuratorium Wiesbaden der
Deutschen Stiftung Denkmalschutz